Schrift am keltischen Dürrnberg?

Naturwissenschaftliche Analysen lösen ein Rätsel der keltischen Salzmetropole am Dürrnberg bei Hallein: Ein Keramiktäfelchen mit angeblich griechischen Schriftzeichen ist viel jünger als vormals vermutet. Die Thermolumineszenz-Datierung ergibt ein Alter von ungefähr 800 Jahren. Das Schriftzeugnis stammt daher nicht aus der Eisenzeit um 400 v. Chr., obwohl auch schon zu dieser Zeit Kontakte bis nach Griechenland durch archäologische Funde auf dem Dürrnberg belegt sind.

Das Keramiktäfelchen vom Dürrnberg bei Hallein trägt am oberen Rand eine kurze Ritzinschrift aus winzigen Buchstaben (© Salzburg Museum).
Das Keramiktäfelchen vom Dürrnberg bei Hallein trägt am oberen Rand eine kurze Ritzinschrift aus winzigen Buchstaben (© Salzburg Museum).

Ein unscheinbares Tontäfelchen aus der eisenzeitlichen Salzmetropole am Dürrnberg bei Hallein, das schon 1982 bei Ausgrabungen gefunden wurde, trägt ominöse Schriftzeichen. Anfangs meinte man, griechische Buchstaben erkennen zu können, und wies das außergewöhnliche Stück den Kelten der Zeit um 400–250 v. Chr. zu. Nach dieser Deutung wäre es eines der frühesten Schriftzeugnisse in Mitteleuropa und ein weiterer Beleg für die Fernkontakte, die das Wirtschaftszentrum hoch über der Salzach pflegte. Schriftanalysen des österreichischen Sprachwissenschaftlers und Keltologen David Stifter, der an der Universität Maynooth in Irland lehrt, haben diese Deutung jedoch in Frage gestellt. Er wies nach, dass das Keramiktäfelchen keine griechischen, sondern lateinische Zeichen trägt und aus sehr viel späterer Zeit, frühestens der Spätantike (ca. 400 n. Chr.) stammt. Hierdurch stand eindeutig fest, dass das Keramikfragment kein Relikt der Dürrnberger Kelten ist.

Die Steuersoftware der Messanlage. Linke Bildhälfte: Thermolumineszenzemission einer im Labor bestrahlten Teilprobe während einer Messung; rechte Bildhälfte: Fotorealistische Statusanzeige der Messanlage (© TRIGA Center Atominstitut, TU Wien).
Die Steuersoftware der Messanlage. Linke Bildhälfte: Thermolumineszenzemission einer im Labor bestrahlten Teilprobe während einer Messung; rechte Bildhälfte: Fotorealistische Statusanzeige der Messanlage (© TRIGA Center Atominstitut, TU Wien).

Im Projekt CCeLL – Cisalpine Celtic Language and Literacy der Epigraphikerin Corinna Salomon an der Universität Wien wurde das Schriftzeugnis nun naturwissenschaftlich analysiert. Aus dem Depot des Salzburg Museum gelangte es an das TRIGA Center Atominstitut der TU Wien, wo es von Robert Bergmann mit dem sogenannten Thermolumineszenz-Verfahren absolut datiert wurde.

Diese Methode der Altersbestimmung beruht auf der Lumineszenzemission von Mineralien wie Quarz und Feldspat, die in natürlicher Tonerde vorkommen. Solche Materialien speichern Strahlungsenergie, die bei Erwärmung als Leuchten wieder freigesetzt wird. Dieser Vorgang läuft zum Beispiel auch beim Brennen von Tonerde ab, wodurch die „archäologische Uhr“ auf null gestellt wird. Von diesem Zeitpunkt an wird die natürliche Umgebungsstrahlung kontinuierlich gespeichert und ergibt die „archäologische Dosis“. Zur Datierung wird die Probe auf eine Temperatur von 500°C erwärmt und die gespeicherte Energie, die durch Emission von Thermolumineszenz abgegeben wird, gemessen. Dadurch lässt sich jener Zeitraum bestimmen, der seit dem letztmaligen Erwärmen des Objekts – etwa dem Brennen eines Keramikobjektes – vergangen ist. Eine winzige Probe aus dem Inneren des Keramikplättchens genügte für eine Überraschung: Das Objekt ist noch jünger als vermutet und stammt aus dem Hochmittelalter. Die exakte Zeitbestimmung auf ein Alter von etwa 800 Jahren stellt die Inschrift also in den Kontext des mittelalterlichen Salzabbaus; sie stammt nicht aus dem Umfeld des keltisch-eisenzeitlichen Bergwesens. Als ab dem 12. Jahrhundert der Salzbergbau durch die Fürsterzbischöfe wieder aufgefahren wurde, machte die komplexe Logistik schriftliche Kommunikation nötig. In der nahen Residenz der Fürsterzbischöfe in Salzburg, die mit dem „weißen Gold“ immensen Reichtum erwarben, waren sicherlich genügend Mönche und Kleriker des Schreibens und Lesens kundig – wer die Buchstaben allerdings in das gebrannte Keramikstück geritzt hat und was sie genau bedeuten, bleibt weiter offen.

Nach einer Pressemeldung des Salzburg Museums.

Kooperation

  • Salzburg Museum & Keltenmuseum Hallein/Dürrnbergforschung
  • Österreichische Akademie der Wissenschaften APART-Projekt CCeLL – Cisalpine Celtic Language and Literacy
  • Technische Universität Wien, TRIGA Center Atominstitut
  • Maynooth University, Department of Early Irish (Sean-Ghaeilge)
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