Screenshot der virtuellen Rekonstruktion des Bergwerksbetriebs in Dippoldiswalde.

Virtuelle Rekonstruktion des mittelalterlichen Bergwerksbetriebs in Dippoldiswalde

Screenshot der virtuellen Rekonstruktion des Bergwerksbetriebs in Dippoldiswalde.
Screenshot der virtuellen Rekonstruktion des Bergwerksbetriebs in Dippoldiswalde. © LfA Sachsen

Nach der Entdeckung erster Silbererzvorkommen entstanden im Laufe des 12. und 13. Jahrhunderts im Erzgebirge überall dort Bergbausiedlungen und Bergstädte, wo sich reiche Erzlagerstätten fanden. Diese wurden entweder neu gegründet oder entwickelten sich aus beziehungsweise parallel zu bereits bestehenden agrarischen Siedlungen. Die Bergstadt Dippoldiswalde, etwa 20 km westlich von Dresden gelegen, geht auf ein solches Waldhufendorf zurück, das nur wenige Jahre zuvor von bäuerlichen Siedlern im Auenbereich der Weißeritz gegründet worden war. Als auf den gegenüberliegenden Talhängen reiche Silbererzgänge gefunden wurden, entstand dort spätestens um 1170/1180 zunächst eine weitläufige Bergbausiedlung, wobei aufgrund bergrechtlicher Freiheiten keine Rücksicht auf bereits vorhandene Felder oder Acker genommen wurde. Mit dem wirtschaftlichen Niedergang des Edelmetallbergbaus fielen in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts in ganz Mitteleuropa die meisten dieser auf den Wirtschaftsfaktor Bergbau fokussierten Standorte wüst.  Dippoldiswalde, das „Tor des Osterzgebirges“ hatte sich da bereits zu einem Nahmarktort weiterentwickelt, der die Dörfer in der Umgebung und im Osterzgebirge versorgte.

Die animierte 3D-Rekonstruktion basiert auf den langjährigen Forschungen der Montanarchäologen des Landesamtes für Archäologie Sachsen in den Silberbergwerken von Dippoldiswalde. Die Bergwerke datieren in die 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts und waren etwa 100 Jahr in Betrieb. Sie sind aufgrund der außergewöhnlich guten Erhaltung der Schächte, Abbaustrecken und Stollen sowie der meist hölzernen Einbauten und Werkzeuge einzigartig in der europäischen Montanarchäologie und daher seit 2019 Bestandteil des UNESCO-Weltkulturerbes Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří.

Über Tage in Dippoldiswalde

Die 3D-Animation ist eine Zusammenstellung aus signifikanten Befundsituationen und beginnt zunächst über Tage: Wir blicken auf das Areal oberhalb der Bergwerke, in dem sich die Aufbereitungs- und Weiterverarbeitungsstätten des unter Tage gewonnenen Erzgesteins befinden. Dies wird von Haspelknechten mittels Seilwinden (Haspeln), die sich über den mit einer Kaue geschützten Schächten befinden, gefördert. Das Erzgestein wird sodann klein gepocht und über dem Feuer des Röstofens so mürbe gemacht, dass es im benachbarten Kuppelofen auf seinen Silbergehalt probiert werden kann. Vor der Bergschmiede wartet ein Hauer auf seine Bergeisen, deren Spitze er während der Schicht unter Tage stumpf geschlagen hat und vom Bergschmied wieder anspitzt werden müssen. Vor einem Lager aus Holzplanken baut ein Zimmermann an einer Förderrutsche, während ein anderer einen Holzstamm für eine Wasserrinne ausbeilt. Das für die verschiedenen Arbeitsprozesse notwendige Wasser wird über einen Kanal herangeführt. Ein Grubenhaus steht für den sich unmittelbar an das Produktionsareal anschließenden Wohnbereich der Bergleute.

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Rekonstruktion der Arbeitsabläufe in den Silberbergwerken von Dippoldiswalde um 1200. Mit freundlicher Genehmigung des LfA Sachsen

Unter Tage in Dippoldiswalde

Wir fahren über einen Schacht nach unter Tage ein, dessen Schachtkopf mit einer Holzverzimmerung (Grubenausbau) abgesichert ist und treffen in der ersten Teufe auf zwei Bergleute in einer Haspelkammer. Dafür wurde der Schacht aufgeweitet, um die Haspel einzubauen und Platz für die Haspler zu haben. Auf der nächstunteren Teufe verläuft der Stollen für die Entwässerung des Bergwerkes. Hier steht ein Bergmann am Füllort auf einem Tragwerk, das über der wasserableitenden Gefällerinne verlegt wurde und befestigt einen vollen Förderkorb. Rechts davon sitzt ein Hauer auf seinem Hauerstühlchen und ordnet sein Gezähe bestehend aus Bergeisen, Schlägel, Kratze, Schaufel und Keilhaue. Eine mit Rindertalg gefüllte Schalenlampe (Geleucht) gibt spärliches Licht. Auf unserer Fahrt durch das Bergwerk werden wir immer wieder auf Szenen treffen, in denen Bergleute mit diesen Werkzeugen und Geleucht arbeiten. Wir fahren ein Stück im Stollen zum nächsten Schacht, in dem eine Förderrutsche bis zum Schachtkopf eingebaut ist. Sie dienen dem Schutz und besseren Gleiten des Förderkorbes, der ansonsten beim ständigen Schleifen über die bloßen, rauhen Schachtstöße, schnell verschleißen würde. Vor der Rutsche sind im Abstand von 5 bis 6 m noch Umstiege oder Bühnen eingebaut, auf denen Fahrten (Leitern) stehen, die weiter nach unter- beziehungsweise übertage führen. Besonders gut ist dies im nächsten Schacht zu beobachten, in dem die Bergleute über Fahrten zu ihren Abbaustrecken gelangen, um dort am aktuellen Abbauende (der Ortsbrust) den Erzgang weiter abzubauen. Die Hohlräume der bereits abgebauten Bereiche des Erzgangs werden wieder mit taubem Gestein verfüllt. Hierdurch erspart sich der Bergmann die Förderung nach über Tage. Weiter geht es und wieder hinunter auf Stollenniveau. Wir sehen einen Bergmann, der eine Erzmulde trockenen Fußes über das Tragwerk zum Füllort zieht.

Dann dreht sich unser Kubus und wir erreichen einen Wetterschacht, der mittels eines bis nach über Tage reichenden Wetterscheiders aus vernuteten Brettern in zwei Züge geteilt wird. Nach diesem Prinzip wird verbrauchte Luft aus und frische in das Bergwerk geführt. Teufen und Strecken, die nicht bewettert werden sollen, sind durch Wettertüren verschlossen.

Noch einmal führt uns die Animation in der Totalen am Bergwerk vorbei, bevor die Fahrt mit einem letzten Blick auf das Produktionsareal endet.

Wir danken Jiří  Unger (Prag), Martin Košťál und Michal Vagner (Brünn) für die Realisierung und Umsetzung unserer Vorstellungen und Rekonstruktionen.

Von Christiane Hemker, Landesamt für Archäologie Sachsen

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